Schön ist der Klang der Stille für den Wanderer ...
Inaripfad (Inarilaispolku): unter Umwegen einsame 120 km vom Inarisee zum Varangerfjord
Vorwort
Für das Jahr 2003 beschloß ich, den
Inaripfad nach Karlebotn am Varangerfjord in Norwegen zu versuchen. Gleichzeitig
wollte ich mit einem Abstecher den höchsten der Berge in diesem Gebiet
ersteigen. Dies ist der Guorrunjunis und der Namensgeber der geographischen
Karte (s.u.) eines über 600 km2 großen Gebiets.
Der "Pfad" beginnt in Sevettijärvi, am gleichnamigen See
gelegen. Dieser Weiler ist der letzte
Stützpunkt der Zivilisation nördlich des Inarisees und weit bis nach Norwegen.
Hier beginnen mehrere empfehlenswerte Touren zu Fuß oder mit Kanu in die in Wildmark.
Vorgeschlagene topgraphische Karten im Maßstab 1:50.000:
N:o 4911 2, Sevettijärvi (Finnland),
N:o 3933 1, Mihkalijärvi (Finnland),
Blad 2334 IV, Guorrunjunis (Norwegen),
Blad 2335 III, Varangerbotn (Norwegen).
Hinweis: alle Koordinatenangaben sind in Finnland im finnischen Koordinatensystem mit Kartendatum KKJ und in Norwegen im UTM-Koordinatensystem mit Europäischem Kartendatum.
Hier mein Reisebericht
1.
Tag (Mittwoch, d. 25.06.03)Anreise mit dem Postbus (Gold Line) von Ivalo. Haltepunkt ist das "Ortszentrum", gebildet durch die "Sevetin Baari" mit Einkaufs- und Einkehrmöglichkeit.
Ende der Zivilisation
Nachdem ich mich mit einem letzten und "allerletzten" Bier
gestärkt habe, mache ich mich auf in Richtung der Hütte am Opukasjärvi. Der
Pfad ist fast nicht zu verfehlen, da er zunächst durch Pfosten gut markiert
scheint. Trotzdem gibt es einen ausgetretenen Verhauer nach rechts, wo es nach
dem mühsam zu überquerenden Bach nicht weiter geht.
Nach ungefähr 3 km trifft man auf eine Sandpiste, von der bald der
Weiterweg rechts abzweigt. Ein Grenzer riet mir letztes Jahr, die Piste weiterzuverfolgen,
da sie auch in "Richtung" Opukasjärvihütte verlaufe und kürzer sei.
Warum er diesen Weg empfahl, wurde mir erst später klar. Die Grenzer machen
ihren Dienst nicht aus sportlichen Gesichtspunkten heraus und fahren mit dem Auto oder
einem Mönkijä ("Kriecher": kleines geländegängiges Gefährt) soweit sie können. So auch
er, soweit es ging. Die
"normalen" Pfade kannte er gar nicht. Ich machte hierbei die gleiche Erfahrung,
wie wenn man im
Gebirge einen Einheimischen nach einem etwas versteckten Weg oder Gipfelanstieg fragt.
Unterwegs fühlten sich offenbar doch einige Kiebitze im Moor durch meine Anwesenheit gestört und verteidigten zeternd ihr Reich gegen fremde Eindringlinge. Hier mein ornithologischer Beitrag:
Hinweis: Das Einbinden von Hintergrundmusik gelingt nicht immer wie gewünscht (Browser-abhängig). Entweder man hört den Kiebitz bereits beim Öffnen der Seite, oder man drückt hier auf den Startknopf (falls sichtbar) oder man lädt sich das Gezwitscher hier herunter.
Gegen 22 Uhr endete bei den Koordinaten 771660 Nord und 55820 Ost schließlich die Piste an einem Rentierscheideplatz (Poroerotuspaikka) mit riesigen Gattern. Ich lief weiter bis zu dem nahegelegenen See, in der Hoffnung, den vermutlichen Weiterweg zu finden. Die Suche war leider vergeblich, und ich trug mich schon mit dem Gedanken, mich die 7,65 km Luftlinie zur Hütte quer durchzuschlagen, als ich ca. 200 m vor dem Schild "Yleinen tie päätyy" (Ende des öffentlichen Weges) einen versteckten und nichtbezeichneten Pfad fand, welcher offenbar in Richtung der Hütte verläuft. Frohen Mutes machte ich mich auf den Weg und tatsächlich traf ich bei den Koordinaten 772206 Nord und 55788 Ost wieder auf den umgangenen Wanderweg, der von der Piste abzweigt. Etwas erschöpft, aber bei strahlendem Sonnenschein erreichte ich nach Mitternacht mein Ziel. Ob sich dieser Umweg lohnte? Zeitlich sicher nicht, aber er bot doch neue Erlebnisse, z.B. in Form von Kiebitzen.
2.
Tag (Donnerstag, d. 26.06.03)Der Weiterweg zur Iisakkijärvi-Hütte erfolgte über den gleichen Pfad wie letztes Jahr auf meiner Tour nach Nuorgam (Pulmankireitti). Von hier ging ich nach einer ausgiebigen Rast noch am gleichen Tag weiter zur Rousajärvihütte. Das Wetter weiterhin warm (über 20 Grad), so daß es draußen bei einem rauchenden Lagerfeuer (gegen die Mücken) angenehmer war als in der Hütte ohne Lagerfeuer, aber mit Mücken.
Lagerfeuerromantik
3.
Tag (Freitag, d. 27.06.03)Heute geht es in Richtung norwegische Grenze. Auf einem
Großteil der Strecke sieht man den riesigen hölzernen Wachtturm auf dem Berg
Rousavaara,
welcher m.W. nicht mehr besetzt ist, und zu dem auch kein Weg führt. Die
Markierungspfosten fehlen teilweise, also Hauptrichtung beachten und im
Zweifelsfalle zurückgehen. Der Höhenzug im Norden bildet noch nicht
die Grenze, sondern es ist der Höhenzug Isokivennokka (südl.
Stuorrakedginjunes), über dessen
Ausläufer man drüber muß. Erst vom Kamm aus sieht man fern den Grenzzaun und
halbrechts eine Grenzerhütte (Rajavartiostontupa, 774439 Nord,
56450 Ost). Aber was soll die hier in einer Gegend ohne Weg und Steg? Dieses
Geheimnis wollte ich lüften und machte von der direkten Richtung einen Umweg
dorthin. Nun, das Geheimnis konnte ich nicht enträtseln. Die verschlossene
Hütte machte einen sauberen Eindruck. Ein Blick durch die Fenster ließen Herd,
Tisch, Stühle, Schlafstellen und natürlich eine Sauna erkennen. Bezüglich der
Verwendung fand ich einen Hinweis auf die Nähe der EU-Außengrenze, aber davon später mehr .....
An einem scheinbar wunderschönen Platz am
Aittojärvi (774464 Nord, 56382 Ost) schlug ich mein heutiges Lager auf.
Der genau in der Mitte des Bildes zwischen den
Bäumen sichtbare weiße Fleck am jenseitigen Seeufer ist ein riesiger weißer
Rentierhirsch!
Aber dieser Platz hatte es in sich. Nach dem Lageraufbau fand ich zufällig in der Nähe des Lagers eine schräg in einen Abhang führenden Höhlengang. Der Durchmesser betrug gut 30 cm, was zu groß für einen Fuchs oder Dachs und zu klein für einen Bär ist. Dieses war das zweite Rätsel auf dieser Tour.
Höhle eines Vielfraßes
Wie ich - wieder zu Hause - der Literatur entnahm, kann es
sich nur um die Höhle eines Vielfraßes (Gulu gulu) handeln, einer
Riesenmarderart, welche in allen arktischen Gebieten der nördlichen Erdhalbkugel
zu finden ist. Er ist über einen Meter lang und ist tatsächlich ein "Vielfraß",
dem wegen seiner Aggressivität sogar Wölfe und Bären aus dem Weg gehen. Wenn
ich das vorher gewußt hätte ...
Übrigens ist das Wort "Vielfraß" eine Verballhornung des
schwedischen Ausdrucks "Fjällfräs", was soviel wie
"Bergkatze" bedeutet, aber diesen Griesgram zufällig genau
charakterisiert.
4.
Tag (Samstag, d. 28.06.03)In Nichtkenntnis meines potentiellen
Nachbarn verbrachte ich eine gute Nacht, wobei "Nacht" relativ zu
nehmen ist, da um diese Jahreszeit die Sonne rund um die Uhr scheint (wenn sie
scheint).
Nach dem Aufbruch am nächsten Morgen erreiche ich bald die sog. EU-Außengrenze
zwischen Finnland und Norwegen. Hier ist sie:
moderne EU-Außengrenze
Wie man sieht, ist die Grenze tatsächlich
(beinahe) in der Höhe unüberwindlich, ist aber trotzdem ein Witz. Den
Draht muß man unten nur etwas anlupfen, den Rucksack durchschieben und danach
sich selbst. Schon ist man im EU-Ausland oder umgekehrt. Die
"Grenzsicherung" ist geradezu eine Einladung für illegale Einwanderer
der ganzen Welt. Wenn nur der lange Anmarsch nicht wäre! Da gibt es bequemere
Eindringmöglichkeiten in unsere Sozialsysteme.
Mein "Übergang" erfolgte am Grenzstein Rr350E (7742180 Nord, 35 563478
Ost). Diese Grenzsteine sind häßliche, gelb besprühte Steinhaufen aus dem
Jahre 1923, welche die gesamte Grenze zwischen Finnland und Norwegen
"zieren".
Ab hier besteht die Markierung aus Steinmännle, die aber oft versteckt und
schwer zu finden sind. Manchmal wird man durch die vielen, sowieso
herumliegenden Steine genarrt. Eine Hilfe ist oft die Form des obersten Steines:
er ist zumeist länglich, die Spitzen zeigen die Richtung an.
Im Laufe des Tages bedeckte sich der Himmel und ein kalter Nordwind blies.
Später klarte es sich aber wieder auf, und es wurde wärmer. Dies sollte die
schönste Hochsommerperiode einleiten, die ich je im hohen Norden erlebt habe!
Hier einige Zwischenpunkte auf dem Weg nach Norden:
7742830 Nord, 35 563210 Ost,
7743719 Nord, 35 561964 Ost,
7744762 Nord, 35 561028 Ost,
7746313 Nord, 35 562115 Ost,
7747501 Nord, 35 562609 Ost,
7748312 Nord, 35 564635 Ost,
7750391 Nord, 35 563895 Ost,
7753572 Nord, 35 563531 Ost,
7753655 Nord, 35 563536 Ost.
Mein heutiges Lager schlug ich spät abends an einem unbenannten See bei den Koordinaten 7753840 Nord, 35 563513 Ost auf (Höhe 255 m ü. NN.).
Selbstbildnis. Links hinten das Weiße ist ein Schneefeld.
Wenn es in diesen Breiten aufklart, gibt es selbst im Hochsommer Nachtfrost. So auch heute. Aber das ist eigentlich ein gutes Zeichen für das weitere Wetter, ist doch keine feuchte Meeresluft eingeflossen! Dies sollte sich wieder einmal für die nächsten Tage bewahrheiten.
5.
Tag (Sonntag, d. 29.06.03)Heute geht die Hauptrichtung nach Nordwesten. Von den Abhängen des Åððagåpskai'di hat man überraschende Tiefblicke auf das blaue Wasser der langgestreckten Seen Aslatnjoaskejav'rit.
Tiefblick zu den Aslatnjoaskejav'rit
Hier sind Markierungen fast nirgends zu sehen. Das
Durchkommen durch Krüppelbirken und Geäst ist mühsam und zeitraubend. Im
Zweifelsfalle sollte man immer nach rechts bergauf ausweichen, da hier die
Vegetation spärlicher wird. Nicht zum Steilufer am See absteigen!
Wie es der Zufall will, fand ich hier wieder ganz versteckt die Höhle eines
Vielfraßes. Hätte ich das gewußt, hätte ich mich schnell getrollt.
Am Ende der Seenkette muß man absteigen und an zwei Stellen die Ausflüsse der
Seen furten. Dies fiel allerdings diesmal mager aus, da auch in Lappland
in diesem Sommer der Wasserstand sehr niedrig war. Letzteres hatte allerdings auch den
unbestreitbaren Vorteil, daß die Mückenplage ebenso "mager" ausfiel.
Am Abstieg zum Ju'gejav'ri fehlt m.E. jeglicher Markierungsstein. Man sollte auf
das nördliche Ende zuhalten, das Waten durch den Abfluß blieb mir aber trotz
Niedrigwasser nicht erspart. Allerdings ging das Wasser nur bis zu den Knien und
war herrlich erfrischend.
Der nächste markante Berg ist das Plateau des Kruvnasskaidi (7760669
Nord, 35 556996 Ost), wo die Markierung auch rar ist. Man sieht am Fuße jedoch
einen Steinhaufen, auf den man zuhalten sollte. Kurz nach dem Plateau (7760951
Nord, 35 556517 Ost) verließ ich den Pfad nach links in Richtung des
Krunasjav'ri. An einem versteckten kleinen See südwestlich davon errichtete ich mein
heutiges Lager (7760992
Nord, 35 555480 Ost).
Lageridylle
6. Tag (Montag, d. 30.06.03)
Diesen Morgen hatte ich mir für den Besuch des Guorrunjunis reserviert. Die Besteigung ist technisch nicht schwierig, bringt aber einige Orientierungsprobleme mit sich. Durch den plateauartigen Anstieg verliert man leicht die Übersicht, da man weder Gipfel noch Ausgangspunkt sieht, und alles relativ gleichförmig aussieht. Ich kann nur empfehlen, Start- und Zielkoordinaten in seinen GPS einzutippen, um unnötiges Suchen zu vermeiden (ich hatte dies versäumt!).
Blick vom Guorrunjunis nach Westen
Ich genoß einen herrlichen Rundblick. Im Westen sah ich den 10 km entfernten Tsuomasvaara (s. Bild). Diesen hatte ich letztes Jahr auf meiner Tour nach Nuorgam bestiegen (s. Beschreibung).
Gegen Mittag war ich wieder in meinem Lager. Es war mir heiß
geworden, obwohl ich doch wenig Gepäck mithatte. Mit meinem Thermometer maß
ich 29 Grad im Schatten! Ob das Wasser vielleicht auch warm war? Am Ufer stellte
ich 19 Grad fest. Jetzt gab es nichts mehr zu überlegen. Ich nahm ein
erfrischendes Bad und fühlte mich nachher pudelwohl.
Was nun, zusammenpacken und weiter? Diese friedliche, hochsommerliche Stimmung
wollte ich doch noch ein wenig genießen. Zeit hatte ich auch genug. Das
Wetter wird schon halten! Nein, sagte ich mir, und der Vogel in den Krüppelbirken schien mir das zu bestätigen. Munter trällerte er drauflos,
ihm machte meine Anwesenheit nichts aus. Eine solche absolute Ruhe vor
Zivilisationsgeräuschen, nur Windsäuseln und Wasserplätschern sind ein
Erlebnis, das man nur noch ganz selten hat.
Ich sonnte mich also, las meinen Western, machte mir einen Tee, badete und
verbrachte so einen Urlaubstag schöner als im Süden. Und das fast am
70. Breitengrad!
7. Tag (Dienstag, d. 01.07.03)
Einmal muß Abschied sein, obwohl ich es im Nachhinein bedaure, diesen Tag zur Erholung von Körper und Seele nicht doch verlängert zu haben.
Der nächste Berg in der anvisierten Richtung war der Lav'kavarri (ca. 7762800 Nord, 35 555300 Ost).
Blick vom Gipfelplateau des Lav'kavarri
Ich nahm an, daß schon wegen der Aussicht der Lav'kavarri Teil des Inaripfades ist. Dem ist aber nicht so. Wie ich auch suchte, Markierungen waren nicht zu finden. Warum man diesen herrlichen Aussichtsberg genau wie den Guorrunjunis umgeht, weiß ich nicht. Jedenfalls muß man hier seine Marschrichtung nach Karte und Kompaß bestimmen. Man sollte ab dem Gipfelplateau auf den etwas verdeckten, ganz links unter dem rechten Schneefeld sichtbaren Goeddjajavri zuhalten. Im Zweifelsfalle nach rechts ausweichen, da ja der Pfad nach links verlassen wurde. Dann stößt man bald darauf auch wieder auf Markierungen.
Vor dem Aufstieg zum Lei'dnunvarri
Der nächste Fixpunkt ist der Lei'dnunvarri im Hintergrund (7765058 Nord, 35 555292 Ost). Hier geht der Pfad allerdings drüber. Auf dem Weg dorthin kommt man an einem großen Rentiergeweih vorbei (7764200 Nord, 35 555601 Ost), welches ich im Jahre 1997 unterwegs fand und hier aufstellte. Es ist mir unbegreiflich, warum es der Wind noch nicht fortgeweht hat, oder es noch keiner mitgenommen hat. Dies ist das dritte Rätsel auf meiner Tour!
Vom flachen Gipfelplateau des Lei'dnunvarri hat man wieder
einen herrlichen Rundblick bis weit in die schneebedeckten Berge der
Varangerhalbinsel. Während des Abstiegs vom Lei'dnunvarri zum Goeddjajavri
überschreitet man den 70. Breitengrad! Jetzt sind es nur noch 20 Grad zum
Nordpol (!).
Am rechten Ufer des Goeddjajavri (7766879 Nord, 35 555960 Ost) machte ich eine
ausgiebige Rast, vesperte, las etwas und kühlte meine heißgelaufenen Füße.
Tat das gut!
Im Weiterweg sind die Markierungssteine manchmal etwas rar.
Man sollte sich am Ende des rechten Ufers etwas links und dann bis auf ein paar
Grad rechts stets nach Norden halten. Nach ca. 2,5 km, genauer bei den
Koordinaten 7769092 Nord, 35 56807 Nord, hat einen plötzlich die
Zivilisation (fast) wieder eingeholt. Hier beginnt ein ausgefahrener
Schneemobilweg, welcher allerdings weitgehend wieder zugewuchert ist. Auf ihm
kommt man aber zu Fuß gut voran. In den Sümpfen sollte man aber etwas
aufpassen. Jetzt im Tal wird die Schnakenplage wieder aktuell, und man sollte
sich vorsehen.
Nach ca. 7 km sieht man von den Anhöhen des Hannusboalci den romantischen
Njiðgojavri liegen. Auch einige Sommerhäuser sieht man. Zufahrten gibt es fast
keine, und dann nur bedingt und auch nur für geländegängige Fahrzeuge, so daß man
auf das Boot angewiesen ist. Die Wegkennzeichnungen hören irgendwann auf. Aber
wenn man zum rechten Ufer absteigt, stößt man bald wieder auf einen breiten
Pfad. Ungefähr bei den Koordinaten 7773850 Nord und 35 557900 Ost zweigt ein
kleiner Trampelpfad ab. Auf diesem ging ich kurz weiter und suchte mir einen
geeigneten Platz am Ufer.
Lager am Njiðgojavri
Es war sehr heiß hier unten. Ich maß 30 Grad im Schatten! Nach dem Aufbau des Zeltes nahm ich ein erfrischendes Bad und wollte es mir in der Sonne wieder so gemütlich machen wie gestern. Aber das war nicht recht möglich. Trotz Einsprühen waren Tierchen lästig, und ich mußte ins Zelt flüchten, wo es natürlich bollenheiß war. Ich nahm es als Sauna hin und kühlte mich ab und zu im See ab. So war das Ganze eigentlich erträglich.
8. Tag (Mittwoch, d. 02.07.03)
Heute wollte ich Karlebotn, das Ziel meines langen Marsches,
erreichen. Auf dem oben beschriebenen Trampelpfad geht es weiter genau nach
Norden bis zum Seeausfluß. Hier muß man waten, das Wasser geht allerdings nur
bis zu den Waden. Diese Stromschnelle ist eine gute Angelstelle, wie mir zwei Fischer aus
Finnland sagten. Sie waren extra hierher gereist. Nun geht es strikt weiter nach
Norden, den für hochrädrige, geländegängige Fahrzeuge geeigneten Weg kann
man trotz Abzweigungen eigentlich nicht verfehlen. Auf einer schwankenden
Seilbrücke überquert man den Fluß Njiðgojåkka.
Hängebrücke über den Njiðgojåkka.
Nachdem man die nördlichen Ausläufer des Gar'vingai'sa hinter sich gelassen hat, öffnet sich eine weite Sandebene bis zum Varangerfjord. Bis hierhin kann man mit "normalen" Fahrzeugen fahren. Ab hier begann ein zig Kilometer langer Hatscher, aber das wußte ich zu diesem Zeitpunkt - Gott sei Dank - noch nicht. Nach einigen bequem zu gehenden Kilometern kommt Karlebotn, das eigentliche Ziel der langen Reise in Sicht.
Karlebotn (samisch Stuorravuonna=große Bucht), ein alter Handelsplatz in Nordlappland
Karlebottn besteht nur aus ein paar Häusern, Kühe laufen herum. Einkehren kann man hier nicht. Dafür liegt es idyllisch am Varagerfjord. Idyllisch? Wie man weiß, liegt im Varangerfjord eine tickende Zeitbombe in Form eines versunkenen sowjetischen Atom-U-Bootes!
Karlebottn ließ ich rechts liegen und stapfte auf der Asphaltstraße sieben Kilometer weiter nach Varangerbotn. Hier stärkte ich mich in einem Café mit einem Pfannkuchen mit Beeren, was hier eine Spezialität ist, und einer Tasse Kaffee. Der Preis haute mich um. Die vermutete eins zu eins DM- zu- Euro-Parität bestätigte sich auch hier. Die Norweger wissen schon, warum sie mit ihrem hohen Sozialprodukt ihre armen Nachbarn im Süden und bald auch im Osten nicht alimentieren wollen. Deshalb werden sie auch ihre Norwegische Krone nicht abschaffen ... aber da durfte ja auch das Volk mitbestimmen ...
Mit dem Bus von Eskelinen Lapin Linjat wollte ich zurück nach Ivalo fahren. Aber der fährt erst um 3:15 Uhr morgens von Skipagurra am Tanafluß ab. Das sind von hier 15 km Landstraße. Jetzt ist früher Nachmittag. Aber was soll ich solange machen? Zum Zeitvertreib entschließe ich mich, mich auf Schusters Rappen zu machen. In Skipagurra gibt's nur einen Campingplatz, drei Häuser und eine Tankstelle, wo der Bus abfährt, sonst nichts. Ein paar hundert Meter vor diesem Weiler schlage ich mich in die Büsche, stelle mein Zelt auf, vespere, stelle den Wecker und begebe mich zur Ruhe.
9. Tag (Donnerstag, d. 03.07.03)
Um 2 Uhr piept die Armbanduhr, ich packe alles zusammen und
marschiere zur Essostation, welche inzwischen ein Wohnwagenladen ist. Der Bus
kommt auch pünktlich von Tana Bru .... aber macht keinen Abstecher mehr,
sondern fährt elegant um die Kurve davon. Da stand ich nun mutterseelenallein
auf der Straße. Ich versuchte, ein Auto anzuhalten, aber es kam nur alle Stunde
eins und hielt nicht an.
Inzwischen war es fast 5 Uhr geworden, und ich hatte mich schon abgefunden, bis
zum nächsten Tag warten zu müssen. Da fiel mir siedend heiß ein, daß ich
letztes Jahr am Ende meiner Tour von Nuorgam mit dem Postbus um 11:05 Uhr nach
Ivalo zurückfuhr. Das sind ja noch 6 Stunden, und die 23 km müßten wohl in
flottem Marsch zu schaffen sein. Ich machte mich also auf die Socken.
Dann ein neuer Schock, als ich meine Uhr auf finnische Zeit umstellen will. Ich
"verliere" ja eine Stunde wegen des Zeitunterschieds! Diese Stunde
sprach gegen mich. Ich mußte also mein Tempo trotz 20 kg auf dem Rücken und
Bergschuhen an den Füßen forcieren. Ich schaffte es tatsächlich noch, war aber
selbst ganz schön
geschafft. Nach einer 200 km langen Busfahrt kam ich wohlbehalten wieder in meinem Stammquartier im Feriendorf in
Ivalo (Näverniemen Lomakylä) an.
Nach ausgiebiger Ruhe und am späten Abend fühlte ich
mich wieder teilregeneriert und ging noch zum Karaoke aus, mitsingen, ein Bier trinken, etwas
tanzen und schwätzen. Alles zu seiner
Zeit. Nur so kann man sein Finnisch verbessern!
Hier werden - auch von der Jugend - noch einheimische Lieder gesungen! Die
globalisierte Einheits"musik" läßt vielleicht noch ein paar Jahre
mit ihren Segnungen auf sich warten.
Nach zwei Tagen zog es mich allerdings wieder fort zu einer Rundtour in die Hammastunturit (Zahnberge), wo ich schon im März diesen Jahres Skitouren und eine Schneemobiltour unternahm. Aber das gehört nicht in diesen Bericht.